Innovationsförderung für den dentalen Hybridprozess

Die niederschwellige Innovationsförderung für KMU und Handwerk soll kleine und mittelständische Unternehmen in Niedersachsen fördern und die Forschung und Entwicklung stärken. Bien Zahntechnik aus Sehnde mit 30 Mitarbeitern profitiert von dem Vorhaben „Europa für Niedersachsen“, welches durch Fördergelder des Europäischen Sozialfonds Plus/Europäischen Fonds für regionale Entwicklung unterstützt wird. Das Projektziel: die digitale, additive Herstellung von Teilprothesen mit Metallgerüsten und Halteelementen.

Durch die erfolgreiche Integration des Lasermelting- und Hybridprozesses konnte das Team von Bien Zahntechnik die Voraussetzungen für dieses Förderungsvorhaben schaffen. Im Gespräch mit Claudia Gabbert berichten Volker und Julian Bien über ihre Erfahrungen mit der Förderung sowie die Vorteile des Lasermeltings und der Hybridfertigung. 

Sie wurden als Teilnehmer an der niederschwelligen Innovationsförderung für KMU und Handwerk zur additiven Fertigung von herausnehmbaren Prothesen mit Metallgerüst ausgewählt. Welche Anforderungen mussten Sie für diese Förderung erfüllen?

Julian Bien: Wir mussten im Labor die Voraussetzungen erfüllen, um den digitalen, additiven Produktionsprozess von partiellen Prothesen mit Metallgerüsten und hochpräzisen Halteelementen einzubinden. Dabei steht die Effizienz der gesamten Prozesskette im Mittelpunkt, um die Herstellung von Metallprothesen auf optimale Weise zu gestalten. Dies beinhaltet den Druckvorgang, die anschließende Nachbearbeitung, die Herstellung selbst sowie ein umfassendes Qualitätsmanagementsystem mit entsprechender Dokumentation. Unser oberstes Ziel ist es, hochwertige Produkte zu produzieren, die nicht nur erstklassige Metallstrukturen aufweisen, sondern unsere Kunden auch in Bezug auf Qualität und Leistung überzeugen. Diese Förderung soll sicherstellen, dass wir auch weiterhin wettbewerbsfähig bleiben und die Standortvorteile optimal nutzen können. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Hybridfertigung die Zukunft der wirtschaftlichen Zahntechnik sein wird – ohne Nachvermessen und realitätsnah. Sie stellt den Schlüssel dar, um den Herausforderungen der demografischen Entwicklung erfolgreich zu begegnen und uns für die kommenden Jahre zu rüsten. Diese Förderung ist ein einzigartiger Schritt in Deutschland und wird uns dabei unterstützen, unsere Ziele zu erreichen.

Welche Voraussetzungen müssen in einem Dentallabor für eine Hybridfertigung erfüllt sein?

Julian Bien: Viel Platz und ein tolles Team. Mit einem Gewicht von 440 kg und Abmessungen von 110 cm Breite, 190 cm Höhe und 79 cm Tiefe ist die Anlage sowohl  schwer als auch groß. Und die Reinigungsstation ist genauso groß. Daher ist eine solide Statik unerlässlich. Von Herstellerseite sind 20 m2 notwendig, um die Lasermelting- Anlage samt Equipment zu betreiben. Es ist wichtig, dass dieser Bereich separat vom üblichen Laborbetrieb liegt, um Hygiene- und Arbeitsschutzstandards zu gewährleisten.

Volker Bien: Verdrahtung, Verkabelung und Verschlauchung, da hängt eine Menge dran, der Aufbau des neuen Arbeitsbereichs mit prozessorientierten Arbeitsplatzhöhen, Tischen und Schränken, so wie das halt bei neuen Technologien ist.

Julian Bien: Ein weiterer wichtiger Aspekt ist ein qualifiziertes Team, das die Anlage bedienen kann. Wir motivieren insbesondere jüngere Mitarbeiter mit digitalem CAD/CAM Know-how, die sich schnell in die Prozesse einarbeiten können. Unser Ziel ist es, mit unserem hoch qualifizierten Team und modernster Technologie herausragende Ergebnisse zu erzielen.

Welche Auflagen zum Gesundheitsschutz der Mitarbeiter müssen erfüllt werden?

Julian Bien: Dazu zählt das Tragen einer FFP3-Maske, die die Mikropartikel herausfiltert, Handschuhe, ein Kittel, eine Klebematte auf dem Boden sowie eine Klimaanlage im Raum. Die potenzielle Gefahr, dass das Metallpulver die Haut berührt und in die Blutbahnen gelangt, sollte keinesfalls unterschätzt werden.

Wie haben Sie die Mitarbeiter mit auf die Reise genommen?

Julian Bien: Unsere Mitarbeiter haben sehr viel Lust darauf gehabt, weil sie das Potenzial in der Lasermelting-Technologie gesehen haben. Wir sind ein junges, sehr engagiertes Team und haben schon einige Prozesse bzw. Transformationen durchgemacht. Letztendlich haben alle nur noch auf die Lasermelting-Anlage gewartet. Wir mussten die Prozesse optimieren und sparen nun einen Tag ein, den unsere Mitarbeiter jetzt nutzen für Verblendungen bzw. Aufstellung von Zähnen.

Volker Bien: Es sollten auf jeden Fall auch autodidaktische Fähigkeiten mitgebracht werden.

Welche Komponenten gehören zu der dentalen Hybridfertigung?

Julian Bien: Die Lasermelting-Anlage CORiTEC AM 100 und die Reinigungsstation CORiTEC AM Pure (Kauf von Schütz Dental). Für den taktilen Scan kommt der Renishaw DS 10 zum Einsatz. Zum Nachfräsen nutzen wir die Fräsmaschine 650i (Schütz Dental). Dann benötigt man noch einen Stickstoffgenerator, einen Glühofen, einen sehr leistungsfähigen CAM-Rechner und, wie schon erwähnt, eine Klimaanlage.

Wie lange dauerte die Aufstellung und die Schulung?

Julian Bien: Das war zeitlich überschaubar, ein Tag für die Einbringung und zwei Tage Schulung. Schütz Dental hat uns während der Zeit optimal begleitet, und die Modellgussschulung mit exocad Partial mit dem Schütz-Referenten hat uns noch ein Stück weiter vorangebracht. Die Anlage läuft jetzt je nach Auftragseingang tagsüber und nachts.

Und welche laufenden Instandhaltungsmaßnahmen kommen noch auf Sie zu?

Julian Bien: Nach jedem Einsatz müssen die Bauplatten sorgfältig abgezogen werden, eine Aufgabe, die ein hiesiger Metallbauer übernimmt. Die quadratischen und runden Platten können etwa 60 bis 70 Mal wiederverwendet werden, bevor sie ausgetauscht werden müssen. Zusätzlich müssen Verschleißteile wie Gummilippen regelmäßig erneuert werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Verfügbarkeit von Argon, das für den Betrieb benötigt wird. Glücklicherweise haben wir schnell einen Stickstoffgenerator angeschafft, der wesentlich effizienter ist als der Einsatz von Stickstoffflaschen.

Welche Indikationen fertigen Sie mit der Lasermelting-Anlage?

Julian Bien: Aktuell hauptsächlich Modellguss. Nach nur zwei Durchläufen passte alles und die Ergebnisse sind top. Die Klammern sitzen perfekt und wir haben den Eindruck, dass sie sogar besser passen als die bisher analog hergestellten. Auch das Metallgefüge ist viel stimmiger. Aber nur für die Herstellung von Modellguss rechnet sich die Maschine nicht. Die Hybridfertigung ist der Schlüssel zum Erfolg. Sie funktioniert hervorragend und vereinfacht den Herstellungsprozess erheblich im Vergleich zur analogen Fertigung.

Wie viele Konstruktionen passen auf eine Bauplatte?

Julian Bien: Auf die große eckige Platte passen acht bis zehn Modellgüsse, auf die kleine runde Platte bringen wir zwei bis drei Versorgungen. 

Wie hat sich die dentale Hybridfertigung in Ihrem Dentallabor seit der Anschaffung entwickelt?

Julian Bien: Nach ein, zwei Wochen haben wir die ersten Modellgüsse hergestellt, also das war eine sehr kurze Einarbeitungszeit. Bei der Hybridfertigung sind wir nach drei Monaten noch nicht bei 100 Prozent, die Ergebnisse sind graziler und hochwertiger. Es ist nicht einfacher als Fräsen, es ist nur anders und wir haben keine Geometrieprobleme wie beim Fräsen. Die Workflows haben bei uns noch Nachholbedarf. Sehr gut war der Support. Bei imes-icore hatten wir einen direkten Ansprechpartner, der sofort mit uns gemeinsam Probleme schnell lösen konnte, da die Technologie doch noch sehr neu ist. Der Wissensaufbau läuft noch.

Welche Vorteile sehen Sie in der Anwendung von dieser Technologie im Bereich der Dentaltechnik, insbesondere im Vergleich zu herkömmlichen Fertigungsmethoden?

Julian Bien: Dadurch, dass alles aus einem Stück ist, sparen wir uns die Fügetechnik mit Laser- und Klebestellen und erhalten eine perfekte Spannungsfreiheit. Die Klebestellen stellten tendenziell ja eine potenzielle Bruchstelle dar, die jetzt wegfällt. Dazu kommt, dass die Ränder viel besser sind und auch die Geometrien. Die Klammern liegen einfach, da geht man kurz mit dem Feinschleifer durch.Das sitzt! Bei der Einstückfertigung erzielen wir ein erstklassiges Metallgefüge, minimieren den Verschleiß der Fräser, sparen Material ein und erreichen eine exzellente Passgenauigkeit. Mit den lasergemelteten Versorgungen bekommen wir noch präzisere Ergebnisse, insbesondere bei den Rändern von Teleskopen: Keine Lunker mehr, keine inhomogenen Metallstrukturen, keine Klebeverbindungen und keine Unstimmigkeiten an den Rändern – wir sind total begeistert.

Inwiefern hat die digitale Technologie die Arbeitsabläufe in Ihrem Dentallabor verändert?

Julian Bien: Statt des herkömmlichen Dublierens wird das Objekt nun taktil eingescannt, wodurch der gesamte Designprozess digitalisiert wird. Obwohl dieser Prozess an den Workflow des Labors angepasst ist, gestaltet er sich dennoch grundlegend anders. Die Überwachung am Feld erfolgt nun direkt an der Maschine, was eine gewisse Umgewöhnung erfordert. Es ist äußerst wichtig, dass unsere Mitarbeiter über fundiertes handwerkliches und zahntechnisches Wissen verfügen. Vor allem, um die neuen Technologien effektiv nutzen zu können. Im Labor muss mindestens ein Mitarbeiter beschäftigt sein, der sich mit der Maschine und ihren Abläufen auskennt. Obwohl die Arbeitsabläufe komplexer geworden sind, ermöglicht die Spezialisierung auch eine vertiefte und fokussierte Arbeit. Unsere Techniker, die für das Design zuständig sind, haben nun mehr Zeit, um sich intensiv mit der Funktion und Okklusion der Objekte auseinanderzusetzen.

Wie bieten Sie das Lasermelting den Fräskunden an?

Julian Bien: Der Kunde hat drei Möglichkeiten. Erstens: Designservice und Herstellung der Fertigteile, zweitens: Anlieferung von Designdateien aus dem Labor, Lasermelting von uns und Auslieferung der Fertigteile, und drittens: Anlieferung der designten Primärteile aus dem Labor. Wir lasern auf der Plattform und schicken dem Labor die Plattform sowie den Nachfräsdatensatz zu. Er kann sich die Versor - gungen dann berechnen und nachfräsen. Das bedarf einiger Voraussetzungen im Labor. Zum einen benötigt das Labor für das Nachfräsen mindestens eine Fräsmaschine Tizian 3.5 pro (Schütz Dental) sowie den Halter für die Plattform. Der Datenversand erfolgt DSGVO-konform über unser Upload-Portal.

Nennen Sie mir bitte einige konkrete Beispiele für erfolgreiche Indikationen der dentalen Hybridfertigung in Ihrem Labor!

Julian Bien: Klammermodellguss, hybride Fertigung von Teleskoparbeiten, die eine bessere Passung aufweisen als die gefrästen Teleskope, Teleskoparbeiten mit Metallgerüsten – insgesamt ist das ein wirklich wirtschaftlicher Workflow bei der entsprechenden Auslastung. 

Was können Sie interessierten Laboren für die Umsetzung des Hybridprozesses mit auf den Weg geben?

Julian Bien: Man sollte auf jeden Fall die notwendige Auslastung haben, technikbegeistert sein, nicht so schnell aufgeben und sich auch mit unkonventionellen Lösungen wohlfühlen. Die Maschine ist ein Garant. Ein CAD/CAM-Techniker kann viel effizienter arbeiten, so dass wir eine höhere Wertschöpfung erzielen.

Der digitale Workflow des Hybridprozesses von Teleskopen in neun Schritten:
1. Taktiler Scan
2. Das Modellieren
3. Vorbereitung der Maschine
4. Das Nesting mit Fräsbahnberechnung
5. Druckvorgang
6. Nachglühen
7. Nachfräsen
8. Finish - Polieren und ausarbeiten
9. Nachrüsten


Erstveröffentlichung in der Dental Dialogue 06/24, erschienen im mgo-Fachverlag.

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